Forschungsergebnisse zum selbstgesteuerten Lernen erreichen die Schulpraxis

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Bereits zum zweiten Mal hat die GWT TUD GmbH unter Projektleitung von Prof. Dr. Köhler in Zusammenarbeit mit dem CODIP und dem Ministerium der Deutschsprachigen Gemeinschaft Ostbelgiens eine Weiterbildung für Lehrende an Sekundarschulen in Ostbelgien durchgeführt. Die Weiterbildung beruht auf den Ergebnissen unseres Forschungsprojektes „Weiterbildung selbstorganisiert“, das von 2016 bis 2018 durchgeführt wurde, und dient dazu, unsere Forschungsergebnisse in die Lehrpraxis an Schulen zu transferieren. Die vielfältigen und ambitionierten Erprobungsberichte, die uns die teilnehmenden Lehrkräfte in ihren Ergebnispräsentationen vorstellten, verdeutlichten das Gelingen dieses Vorhabens.

Seit Dezember 2022 haben 10 Lehrende an Sekundarschulen an unserer Online-Weiterbildung teilgenommen. Zunächst erarbeiteten sie sich innerhalb von acht Wochen die wichtigsten Grundlagen zum selbstgesteuerten Lernen und seiner didaktischen Umsetzung in der Schulpraxis. Hierfür haben wir ihnen Materialien und Lernaufgaben zur Verfügung gestellt sowie die verschiedenen Themen in regelmäßigen Online-Seminaren vertieft und diskutiert. Anschließend erarbeiteten die Lehrkräfte ein eigenes Konzept für eine selbstgesteuerte Lerneinheit in ihrem Unterricht. Nach einem Peer-Feedback zu den erstellten Konzepten erprobten sie ihr Konzept mit ihren Schüler:innen. Vom 19.04. bis zum 03.05. präsentierten sie ihre Erfahrungen aus dem praktischen Einsatz.

Von den Ergebnissen sind wir sehr beeindruckt und möchten einige Highlights hier vorstellen. Von Religionsunterricht bis hin zum Mathematik-Leistungskurs waren ganz unterschiedliche Fachbereiche vertreten. Dabei wurden vielfältige Methoden und digitale Werkzeuge eingesetzt. Vor allem sind es die einfachen und unscheinbaren Ideen und Umsetzungen, die uns am meisten überrascht haben.

© : Melanie Hennes
  • Fragesammlung: Bevor die Lehrperson eine neue Lerneinheit startete, sammelte sie zunächst von ihren Schüler:innen Fragen, deren Antworten sie gern in der nächsten Lerneinheit erfahren wollten. Anschließend stellte die Lehrperson Inhalte und Aufgaben zusammen, die sich eigneten, um Antworten auf diese Fragen zu finden.
  • Selbsteinschätzungsmöglichkeiten: Die Schüler:innen sollten sich selbst aus einem Pool an Übungsaufgaben aussuchen, welche Aufgaben sie bearbeiten möchten. Zu jeder Übungsaufgabe stand eine Musterlösung und ein Fragebogen zur Selbsteinschätzung zur Verfügung. Dadurch konnten die Schüler:innen eigene Entscheidungen treffen, mit welchen Aufgaben sie weiterarbeiten und welche Schwerpunkte sie wiederholen möchten.
  • Expert:innenpool: Auf Basis der Selbsteinschätzungen sollten auch Expert:innen identifiziert werden, die dann anderen Schüler:innen für Fragen und Unterstützung zur Verfügung stehen sollen. Für jedes Thema konnte es andere Expert:innen geben.
  • Kreative Präsentationsformen: Die Schüler:innen sollten ein selbstgewähltes Thema in einer kreativen Präsentationsform für die anderen Schüler:innen aufbereiten. Die Öffnung der Präsentationsform, welche über moderierte Präsentationsfolien hinausging, führte zu äußerst kreativen Lösungen, wie Rollenspielen, Ausstellungen und Entdeckungsrundgängen durch die Schule, die nicht nur die betreuende Lehrkraft beeindruckten.
  • Abstimmung zum Thema der Lerneinheit durch Schüler:innen: Aufgrund der Präsenz eines geografischen Themas auf TikTok äußerten die Schüler:innen den Wunsch, mehr über die Zusammenhänge und Hintergründe dieser Social-Media-Diskussion zu erfahren und wählten dieses Thema per Mehrheitsentscheidung für eine neue Lerneinheit aus. Nach einer allgemeinen Einführung in das Thema durften sie selbst auswählen, welche Schwerpunkte sie anhand der zur Verfügung stehenden Materialien vertiefen und aufbereiten wollten.
  • Nutzung von Originalquellen und Zeitzeug:inneninformationen: Um die Komplexität und Hintergründe des Zeitgeschehens zu verdeutlichen, wurden in einem Lernquellenpool auch (übersetzte) Zeitungsartikel und Interviews mit Zeitzeug:innen bereitgestellt. Sie konnten von den Schüler:innen zur Ausarbeitung ihres Themas genutzt werden.
  • Freie Wahl des Zeitpunkts für das Absolvieren eines benoteten Tests: Während der selbstgesteuerten Bearbeitung von Materialien und Übungen zu einer mehrwöchigen Lerneinheit sollten die Schüler:innen drei benotete Tests absolvieren. Den Zeitpunkt, wann sie den Test jeweils schreiben möchten, durften sie dabei selbst bestimmen. Nachdem beim ersten Test alle Schüler:innen den letztmöglichen Termin wählten, gab es bei den folgenden beiden Tests sehr viele unterschiedliche Wünsche, wann die Schüler:innen sich zur Absolvierung des Tests meldeten.
  • Klare Übersicht und Orientierung anhand einer Checkliste: Die Schüler:innen erhielten in einer Werkstattphase verschiedene Materialien und Arbeitsaufträge, die sie in individueller Reihenfolge und Geschwindigkeit sowie bei freier Wahl der Lernpartner:innen bearbeiten sollten. Für eine bessere Übersicht wurde ihnen eine einseitige Checkliste bereitgestellt, auf der die Schüler:innen die erledigten Lernschritte abhaken, dabei ihre eigene Leistung einschätzen sowie das erreichte Ergebnis nach Kontrolle eintragen konnten.
  • Strukturierte digitale Umgebung zur Unterstützung: Eine Lehrperson erstellte für ihre Lernenden einen sehr gut strukturierten und gestalteten Lernmanagementsystem-Kurs. Er enthielt neben zahlreichen, vielseitigen Aufgaben zur Bearbeitung in einer individuell festgelegten Reihenfolge sowie im eigenen Tempo auch viele Anregungen zur Zusammenarbeit mit selbst gewählten Lernpartner:innen.
© : Melanie Hennes

Wir freuen uns über diese vielfältigen Ideen und Erprobungen der Teilnehmenden. Alle Lehrenden haben den Einsatz von Lerneinheiten mit Selbststeuerungsanteilen einschließlich ihrer Vorteile und Herausforderungen intensiv reflektiert. Dabei wurden bereits erste Lösungsansätze zum Umgang mit Herausforderungen entwickelt und ausprobiert, die im zukünftigen Unterricht erprobt werden sollen. Zudem sind alle Lehrenden motiviert, die eigenen Unterrichtskonzepte um weitere Elemente der Selbststeuerung anzureichern. Auch für uns ist es sehr motivierend und ermutigend, dass selbstgesteuertes Lernen in der Schulpraxis realisiert und weiter ausgebreitet werden kann. Wenn auch Sie sich für das Thema selbstgesteuertes Lernen interessieren, dazu forschen oder es in Ihrer Lehre umsetzen möchten, dann werfen Sie gern einen Blick in unser umfangreiches, kostenloses Handbuch.

Die Weiterbildung wurde durchgeführt als Projekt der GWT-TUD GmbH.

Autor:innen: Jana Riedel, Jonathan Dyrna, Michelle Pippig

Josephine Obert

Technische Mitarbeiterin für Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit am CODIP - TU Dresden.

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